Ob CBAP, CPRE, PMI, PSPO, CISM oder ITIL – die Welt der IT-Zertifikate enthält eine nicht enden wollende Fülle an Abkürzungen. Doch was bedeuten sie und für wen sind diese Zertifikate sinnvoll? Da die Gesamtmenge an IT-Zertifikaten schier zu groß ist, um auf sämtlichen IT-Teilbereiche einzugehen, konzentriert sich dieser Artikel auf Zertifikate, welche für Business Analysten interessant sein könnten.
Besonders am Anfang einer Karriere als Business Analyst in der IT kann es schwierig sein, berufsrelevantes Wissen und Fähigkeiten zu erwerben. Vorlesungen und Seminare an Hochschulen beinhalten nicht immer die für den späteren Beruf relevanten Inhalte und die vielfältige Rolle des Business Analysten wird insbesondere in eher technisch fokussierten IT-Ausbildungen nur bedingt vermittelt. Neben dem erworbenen Wissen kann die Vorbereitung auf eine Zertifizierung helfen, sich einen Überblick über geforderte Fähigkeiten zu verschaffen und spezielle Methodiken kennenzulernen, welche sich in der späteren Projektarbeit als wertvoll erweisen können. Darüber hinaus zeigt ein Zertifikat das Engagement des Erwerbers, sich weiterzubilden.
Auch für Berufserfahrene Business Analysten können Zertifikate sinnvoll sein, um erworbene Fähigkeiten nachzuweisen und den eigenen Marktwert zu steigern. Einige Zertifizierungen fordern auf fortgeschritteneren Stufen – neben abzulegenden Prüfungen – Nachweise des praktischen Einsatzes der Fähigkeiten und Kenntnisse, z.B. mehrjährige Mitarbeit in BA-relevanten Rollen in Projekten, Referenzschreiben oder auch Tätigkeiten als Trainer oder Coach in relevanten Bereichen. Diese Zertifikate belegen somit nicht nur einen theoretischen Wissensstand, sondern weisen auch praktische Projekterfahrung nach.
Explizit für Business Analysten gibt es Zertifikate, welche sich mit den Kernbereichen der BA-Tätigkeit auseinandersetzen – das sind unter anderem Anforderungserhebung, -analyse und -management, Prozessanalyse und -modellierung sowie Lösungsdesign und -evaluierung.
Der international bekannteste Anbieter von BA-Zertifizierungen ist das aus Kanada stammende International Institute of Business Analysis (IIBA), welches sich auf das Basiswerk „Business Analysis Body of Knowledge“ (BABOK) bezieht. Das BABOK enthält auch Teile zur Unternehmensanalyse und ist insgesamt nicht explizit auf IT-Systeme ausgerichtet.
Zertifizieren lassen kann man sich auf drei Stufen: ECBA für Einsteiger ohne Berufserfahrung, CCBA für Young Professionals – mit zwei bis drei Jahren nachzuweisender Berufserfahrung – sowie CBAP für Experten mit über 5 Jahren nachzuweisender Berufserfahrung. Für die höheren Stufen sind mehrjährige Berufserfahrung in BABOK-relevanten Feldern sowie Referenzschreiben Vorrausetzung.
In Deutschland eher bekannt ist das (in Deutschland gegründete) International Requirements Engineering Board (IREB), welches den Fokus, wie der Name erahnen lässt, Richtung RE legt und auf dem Basiswerk "Basiswissen Requirements Engineering" aufbaut.
Eine Zertifizierung als Certified Professional for Requirements Engineering (CPRE) kann ebenfalls auf drei Stufen erfolgen: Foundation für Einsteiger, Advanced mit Spezialisierung in einem der Bereiche (Ermittlung, Modellierung, Management oder Agil) und Experte mit Spezialisierung in mindestens drei der zuvor genannten Bereiche sowie mindestens drei Jahre Berufserfahrung als Requirements Engineer in verschiedenen Projekten.
Im Vergleich der beiden Zertifikats-Anbieter scheint die Ausrichtung bei IREB insgesamt technischer mit mehr Fokus Richtung IT-Systeme als beim BABOK auszufallen.
Neben den zuvor genannten Zertifikaten, welche auf die Kernarbeitsbereiche der Business-Analyse abzielen, gibt es eine Reihe von IT-Zertifikaten, welche sich nicht explizit an Business Analysten richten, aber je nach Neigung oder auch Projekterfordernissen für eine Weiterentwicklung und Spezialisierung von Business Analysten interessant sind.
In der agilen Softwareentwicklung ist Scrum nicht mehr wegzudenken und wird, in der ein oder anderen Form, in vielen agilen Projekten genutzt. Für Business Analysten, die sich auch in Richtung Stakeholder- und Projektmanagement weiterentwickeln wollen, dabei aber nie zu weit weg von „ihrem“ Softwareprodukt und dessen Nutzenmaximierung sein wollen, ist die "Professional Scrum Product Owner" (PSPO) - Zertifizierung interessant. Sie wird unter anderem von scrum.org in verschiedenen Stufen angeboten.
Business Analysten, welche ebenfalls in Richtung Projektmanagement schielen, aber mehr an Planung, Steuerung und Risikomanagement interessiert sind, sollten einen Blick auf Zertifikate über Projektmanagementmethoden hinaus werfen. Die prominentesten Vertreter darunter sind Prince2, dass Project Management Institute (PMI) sowie die International Project Management Association (IPMA). Sie basieren auf unterschiedlichen Projektmanagement-Basiswerken, und bieten verschiedene Zertifizierungsstufen an.
Für besonders pingelige IT-Business Analysten, welche ihren Fokus ebenfalls auf der Softwareentwicklung haben und gerne auf Fehlersuche gehen, kann eine Zertifizierung im Bereich Software-Testing in Frage kommen. Das International Software Testing Qualifications Board (ISTQB) bietet verschiedene weltweit anerkannte Zertifizierungen in diesem Bereich an.
Für sehr IT-Prozess- und technik-affine Business Analysten kann eine Zertifizierung im IT-Service Management interessant sein. Die bekanntesten Vertreter sind die beiden Frameworks "Information Technology Infrastructure Library" (kurz ITIL) sowie "Control Objectives for Information and Related Technologies" (kurz COBIT). Beide sind im IT-Service und IT-Governance Bereich weltweit sehr weit verbreitet. Sie behandeln die Bereiche IT-Infrastruktur, IT-Service-Management, IT-Change-Management und IT-Rollout-Management, können jedoch auch bei der Analyse und Optimierung der Auswirkungen der IT und IT-Infrastruktur auf Unternehmens- und Geschäftsprozesse unterstützen.
Wenn es um die Auslagerung von IT-Services in die Cloud geht, gibt es eine ganze Reihe von Zertifikaten der drei großen Cloud-Dienste Amazon AWS, Microsoft Azure und Google Cloud Platform. Sie sind oft spezifisch auf die Services der Anbieter ausgerichtet, belegen aber auch, dass der Inhaber zumindest die grundlegenden Vorteile und Herausforderungen der Service-Auslagerung in die Cloud kennen sollte. Business Analysten, die solche Kenntnisse mitbringen, haben es leichter, Geschäftsprozesse mit Cloud-Beteiligung zu designen und können Ihr Wissen schnell in Transformationsprojekten einbringen.
Business Analysten, welche in den Bereichen Informationssicherheit, -Management und Risikoanalyse ihr Steckenpferd sehen, finden ebenfalls einen ganzen Fundus an möglichen Zertifikaten. Die bekanntesten darunter sind die vom Anbieter (ISC)2 stammende "Certified Information Systems Security Professional" (CISSP) (und deren „kleine Schwester“ (CCSP)), die von der ISACA herausgegebenen "Certified Information Systems Auditor" (CISA) und "Certified Information Security Manager" (CISM) sowie "Security+" vom Anbieter CompTIA. Spezifisch für Deutschland gibt es z.B. den "IT-Grundschutz-Berater" vom BSI.
Die Zertifikate sind teilweise sehr anspruchsvoll, verlangen ein breites wie tiefes, aber auch technisches Wissen aus vielen Teilaspekten der Informationssicherheit sowie teilweise regelmäßig zu erbringende Nachweise über Weiterbildungen. Aufgrund der weiterwachsenden komplexen „Bedrohungslage“ sind diese Anforderungen nachvollziehbar, um zu gewährleisten, dass die Kenntnisse des Zertifikatsinhabers aktuell bleiben.
Die Menge an für Business Analysten relevanten Zertifikaten ist groß, mit Angeboten für unterschiedliche Kenntnis- und Erfahrungsstände sowie verschiedene Vertiefungsrichtungen.
Ein Zertifikat kann praktische Erfahrungen nicht ersetzten, aber Zertifikate sind ein Nachweis darüber, dass man ein je nach Zertifikat und Level mehr oder weniger ausgeprägtes Toolset an Bord hat, welches man in der Praxis anwenden kann. Im Rahmen der Vorbereitung auf die Zertifizierung frischt man außerdem sein Wissen auf und erweitert es ggf. um weitere Kenntnisse und Methoden, die im persönlichen Projektalltag helfen können. Weiterhin steigert man natürlich seinen Marktwert und erhöht die Chancen auf spannende Projekte.