Knowhow und Erfahrungen gesammelt in unserem Blog
04.02.2025 Veronika Eigner
Die Künstliche Intelligenz (KI) hat mit der Veröffentlichung von ChatGPT vor gut zwei Jahren Einzug in die breite Öffentlichkeit genommen. KI ist einer der großen Technologietrends der nächsten Jahre und wird eine neue Technologieära, nach der aktuell noch stattfindenden Digitalisierungswelle, für die nächsten Jahrzehnte einläuten. Aber wie wird sich die Künstliche Intelligenz auf unsere Arbeitswelt auswirken? In diesem Blog-Artikel beziehe ich diese Frage auf die Consultingbranche und möchte drei Aspekte thematisieren: KI als neue Beratungsleistung, die Auswirkungen auf die Effizienz innerhalb der Beratung sowie die Auswirkungen auf das Geschäftsmodell Consulting. Aber zunächst werfen wir einen Blick auf die KI selbst.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) versteht unter dem Begriff „Künstliche Intelligenz“ (engl.: Artificial Intelligence (AI)) die Technologie und die wissenschaftliche Disziplin, die mehrere Ansätze und Techniken wie zum Beispiel maschinelles Lernen, maschinelles Schließen und die Robotik umfassen. KI-Systeme sind Software- und Hardwaresysteme, die künstliche Intelligenznutzen, um in der physischen oder digitalen Welt "rational" zu handeln. Auf Grundlage von Wahrnehmung und Analyse ihrer Umgebung agieren sie mit einem gewissen Grad an Autonomie, um bestimmte Ziele zu erreichen.
Grob kann man KI in die zwei Entwicklungsstufen „schwache KI“ und „starke KI“ unterteilen. Schwache KI ist auf ein konkretes Anwendungsgebiet beschränkt und ist auf Input von außen angewiesen. Sie kann erlernte Fähigkeiten nicht auf andere Aufgaben transferieren. Die schwache KI lässt sich wiederrum herunterbrechen in die Kategorien „Maschinelles Lernen“, „Neuronale Netze“ und „Deep Learning“. Mit starker KI wird angestrebt der menschlichen Intelligenz gleichzukommen. Sie kann im Gegensatz zur schwachen KI ein breites Spektrum von Aufgaben ausführen und zudem ihre Fähigkeiten weiterentwickeln. In diese Kategorie fällt beispielsweise ChatGPT und wird auch als generative KI (GenAI) bezeichnet.
Für die Funktionsweise einer generativen KI ist ein leistungsstarkes Sprachmodell (engl.: Large Language Model (LLM)) nötig, welches darauf ausgelegt ist, menschliche Sprache zu verstehen sowie zu generieren. Das zugrundeliegende LLM kann lernen und sich weiterentwickeln je nach dem mit welchen Informationen es „gefüttert“ wird. In Unternehmen spielen die LLMs eine große Rolle beim Extrahieren von Erkenntnissen aus großen Mengen von Textdaten, die beispielsweise ihre Content-Erstellung verbessern können oder Sprachübersetzungen und Informationsabfragen unterstützen. Zum Einsatz kommen KI-Sprachmodelle in der Praxis häufig beim Kundensupport durch automatisierte Chatbots. Einige der häufig verwendeten LLMs sind GPT-4 von OpenAI, Gemini 1.5 von Google und Llama 3 von Meta. So nützlich die KI für viele Aufgaben sein kann, so gibt es jedoch auch Grenzen. KI-Systeme können bislang keine kreativen und intuitive Entscheidungen treffen, da hier schlicht und ergreifend menschliche Komponenten wie Erfahrung und Wissen fehlen.
Die IT-Dienstleistungsbrancheist weiterhin auf Wachstumskurs. 2023 konnte in diesem Bereich eine Inlandsumsatzveränderung von 10% erwirtschaftet werden. Neben der Digitalisierung ist generative KI (starke KI) der Treiber für das Wachstum. Die Lünendonk-Studie 2024 „Der Markt für IT-Dienstleistungen in Deutschland“ zeigt, dass KI einer der größten Technologietrends ist und die Kundenachfrage immens beeinflusst. Für die Studie wurden die Antworten von 108 in Deutschland ansässigen IT-Dienstleister analysiert. Drei Viertel der befragten IT-Dienstleister sehen in KI ein neues Beratungsthema mit einem hohen Wachstumspotenzial. 86 Prozent der Studienteilnehmer erwarten für 2024 und 2025 eine hohe Nachfrage seitens ihrer Kunden, die sich um die Einführung von KI-Technologien handeln. 80 Prozent bieten daher ihren Kunden adäquate Angebote in diesem Segment. Des Weiteren bauen Dienstleister zunehmend Qualifikationen im Bereich KI auf. 91 Prozent der Befragten etablierten bereits ein Center of Excellence für Technologien rund um KI.
Allison Bailey, Leiterin Bereich People und Organisation bei BCG
Die Praxis zeigt ein ähnliches Bild, welch relevantes Thema KI bei den großen Beratungshäusern geworden ist. Bei PwC arbeiten 900 der 1000 Top-Beratungskunden mit dem Unternehmen zusammen, um KI in ihr Geschäft zu integrieren. Bei McKinsey beziehen sich knapp 40 Prozent der Beratungsthemen auf KI. Bei der Bosten Consulting Group (BCG) wird bereits ein Fünftel des Umsatzes mit Beratung zu generativer KI erwirtschaftet. Wie die Leiterin des Bereichs People und Organisation bei BCG berichtet, war vor zwei Jahren noch die große Frage der Kunden, was GenAI ist. Heute lautet die Frage, wie man mit KI tatsächlich einen Mehrwert schaffen kann und die Arbeitsweise der Unternehmen sinnvoll verändern kann.
Die künstliche Intelligenzist nicht nur gefragt bei den Kunden der Beratungsbranche, sondern wird auch zunehmend innerhalb der Beratung eine wichtigere Rolle spielen. Geeignete Themen sind Neuausrichtung von Angeboten, Arbeitsprozessen und Personalthemen. Die BCG wollte genauer herausfinden, bei welchen Themen die KI den Berater unterstützen kann. Sie führten eine Studie durch, bei der 750 Berater weltweit im Selbstversuch getestet haben, wie sich die Nutzung generativer KI auf ihre täglichen Aufgaben auswirken kann. Die Ergebnisse sind erstaunlich als auch erschreckend zu gleich. Die Leistungen bei kreativen Tätigkeiten, wie Ideenentwicklung und Überzeugungskompetenzen, konnten um 40 % verbessert werden. Bei der Findung einer wertmaximierenden Lösung, also analytischen Aufgaben, habe die KI die Beraterleistung allerdings deutlich um 23 Prozent verschlechtert. Die KI hatte nicht immer die beste Lösung gefunden, die Berater hätten aber der Technologie vertraut, ohne das Ergebnis zu hinterfragen und noch einmal grundlegend selbst zu analysieren.
Eine neuere Studie der BCG zum Thema „KI bei der Arbeit 2024: Freund oder Feind“, bei der weltweit 13.000 Mitarbeiter befragt wurden zeigt, dass 84 Prozent der KI-Anwender unter den Studienteilnehmern durch die Nutzung von KI-Tools Zeit einsparen, 58 Prozent sogar bis zu fünf Stunden Zeit pro Woche. Die freigewordene Zeit wird genutzt um mehr (41 Prozent) oder neue Aufgaben (39 Prozent) zu erledigen, mit KI-Tools zu experimentieren (39 Prozent) oder an strategischen Aufgaben zu arbeiten (38 Prozent). Durch die Studie kamen jedoch auch die Schattenseiten ans Licht: 49 Prozent der befragten Arbeitnehmer haben Sorge vor einem möglichen Jobverlust. Dieser Punkt zeigt, „dass Unternehmen verstärkt auf umfassende Aufklärung und Weiterbildung in der kompletten Belegschaft setzen sollten, um entsprechende Bedenken abzubauen und die Chancen der Technologie in den Vordergrund zu rücken,“ so der KI Experte und Partner der BCG Andrej Levin.
Seit Jahrzehnten setzenUnternehmen auf externe Berater, um Herausforderungen mit fachlicher Expertise zu begegnen oder einen anderen Blickwinkel auf Probleme zu erhalten. Neben dem Problemlösungsaspekt beschäftigen sich Berater häufig mit Datenerfassung und -analyse, um nützliche Erkenntnisse zu erlangen, die in Geschäftsentscheidungen einfließen können. Des Weiteren sind viele Consulting-Unternehmen bereits seit Jahrzehnten im Geschäft, weil die Kunden ihnen vertrauen.
Der Einsatz von KI wird die Branche transformieren, so viel steht fest. Schon jetzt investieren Unternehmen zunehmend in moderne Datenanalyse, die als Basis für intelligente Entscheidungen genutzt werden kann. Die Folge: Unternehmen werden mehr und mehr autonom und somit weniger abhängig von externen Beratern, die aus den Datenmengen brauchbare Informationen generieren, die wiederum für Geschäftsentscheidungen relevant sind. Nichtdestotrotz, sind wir noch viele Schritte davon entfernt, dass KI-Tools die gesamte Datenanalyse vornehmen können. Datenwissenschaftler werden weiterhin gefragte Berater sein bzw. die Nachfrage wird weiterhin hoch bleiben, da sie die Daten sinnvoll interpretieren und Fehler aufdecken können. Die Einsatzdauer von Beratern wird zukünftig wahrscheinlich kürzer ausfallen, da KI für die Datenanalyse immense Vorarbeit liefern kann.
Kernelement der Beratungsunternehmen war es schon immer für die Probleme ihrer Kunden Lösungen zu finden. Die KI selbst ist nun zur Bedrohung für die Beratungshäuser geworden, da sie die Beratertätigkeiten teilweise ersetzen wird. Die Beratungsriesen sind aber nicht nur bei ihren Kunden erfolgreich, sondern auch bei der Problemlösung in den eigenen Reihen. So wurden kurzerhand KI-Unternehmen und -Startups gekauft, um sich dieser Bedrohung zu entledigen. McKinsey kaufte mit QuantumBlack eine fortschrittliche Datenanalyseplattform und auch andere große Unternehmen außerhalb der Consultingbranche erwarben in den letzten gut zehn Jahren mehrere KI-Startups. Laut Statista sind es bei Apple 29 KI-Startups, bei Google 15 und bei Microsoft 13. Dieser Trend soll sich auch in Zukunft fortsetzen. Microsoft war u. a. auch in der Entwicklung von ChatGPT involviert, ein Produkt von OpenAI.
Die KI wird das Image von Beratern als Problemlöser nichtersetzen können. Das oft jahrelang aufgebaute Vertrauen zwischen Kunde und Berater kann durch den reinen Einsatz einer KI-Technologie nicht so einfach gebrochen werden. Jedoch wird sich die Arbeitsweise von Beratern verändern müssen, um auf dem Markt mit den Konkurrenten mithalten zu können. Hier wird es wichtig werden, sich in Bezug auf die Entwicklungsstufen von KI auf dem neusten Stand zu halten, um das Beratungsportfolio stetig aktualisieren zu können. Ebenfalls wird es unausweichlich sein, sich mit den bereits vorhandenen KI-Technologien auseinanderzusetzen, um diese sinnvoll einsetzen können.
Quellen:
1. Definitionen: Künstliche Intelligenz und KI-Systeme
2. What is Strong AI?
3. Was sind Large Language Models? Und was ist bei der Nutzung von KI-Sprachmodellen zu beachten?
4. Wird KI Unternehmensberater arbeitslos machen?
5. Arbeitnehmende sparen fünf Arbeitsstunden pro Woche durch Künstliche Intelligenz
6. KI-Beratung ist die neue Gelddruckmaschine für Consulting-Firmen wie BCG, Bain und Deloitte
7. BCG-Thinktank-Studie: Generative KI im Consulting – Fluch und Segen zugleich?
8. Warum KI für Berater nicht nur gute Seiten hat
9. Der Markt für IT-Dienstleistungen in Deutschland